«Ich war gesundheitlich belastet, aber der Erfolg gab mir Recht.»
Grava wollte mehr. Mehr Einfluss, einmal der oberste Entscheidungsträger werden. Um dahin zu kommen, war ihm kein Weg zu steinig. Berufsbegleitend absolvierte er mehrere höhere Fachausbildungen, was zur Folge hatte, dass der Umtriebige nach langen Tagen im Geschäft viele Abende die Schulbank drückte und an den Wochenenden Fallstudien löste.
Auch wenn der übermässige Einsatz kräftezehrend war – speziell in einem Alter, in dem seine gleichaltrigen Freunde ihrer Freizeit einen wichtigeren Stellenwert gaben –, zahlte sich dieser schnell aus. Grava durchlief im Eiltempo alle Hierachiestufen und wurde als gerade mal 30-jähriger zum Geschäftsführer ernannt: «Diese Jahre waren eine echte Herausforderung. Ich befand mich in einem Hamsterrad, war gesundheitlich belastet.» Deshalb wollte er es beruflich etwas ruhiger angehen und wechselte – als passionierter Harley-Fahrer – zu Harley Zürich mit dem Ziel, sein Hobby zum Beruf zu machen.
War «ruhiger» für Grava «zu ruhig»? Er lächelt nur. Fakt ist: Nach drei Jahren zog es ihn bereits wieder zurück in die Automobilbranche. Ein Angebot von Ferrari («ein Bubentraum!») lag auf dem Tisch, als plötzlich auch die damalige Titan Garage anklopfte. Familien-Kleinbetrieb mit einem überschaubaren Arbeitsaufwand versus Unternehmen mit über 80 Mitarbeitenden und grossem Handlungsbedarf. Lange überlegen musste Grava nicht. Zu stark war sein Bedürfnis, weiter zu kommen: «Ich wusste sofort: Eine solche Chance, in eine Firma wie Titan als CEO reinzukommen, kriegst du nur einmal.»
Was die Entscheidung aber gleichzeitig bedeutete: fertig mit ruhigen Zeiten. «Titan war damals nicht so erfolgreich, heute schon. Um dahin zu kommen, mussten wir uns alle reinknien. Der Druck nahm zu, wir wollten hohe Erträge generieren. Aber das hat uns als Team zusammengeschweisst. Die meisten Mitarbeitenden sind bis heute da. Ich glaube, ich habe es geschafft, den viel gerühmten Titan Spirit mitzuprägen.»
Wer weiss, dass Grava in derselben Phase mit seiner langjährigen Partnerin auch noch eine Familie gründete – Gravas erster Sohn kam 2000 zur Welt, der zweite war gerade unterwegs, als er im November 2001 in die Titan eintrat –, fragt sich schon, wie das alles für ihn zu schaffen war. «Ich hatte immer schon einen stoischen Willen, mein Leben erfolgreicher zu gestalten, als es unsere familiären Verhältnisse eigentlich zugelassen hätten.»
Grava setzte sich als CEO von Titan hohe Ziele, erreichte sie alle und noch mehr: Ab 2013 übernahm er die Gesamtführung der Binelli Group, nachdem er das für diese Position verlangte Executive MBA Studium an der Uni Zürich noch in seine spärliche Freizeit schob. Zudem wurde er gleichzeitig in den Stiftungsrat (die Stiftung Baumgartner-Ehrsam ist Besitzerin der Binelli Group) und als Delegierter in den Verwaltungsrat gewählt. Fortan war er verantwortlich für 300 Mitarbeitende. Seine langjährige Ehe blieb auf der Strecke. «Wenn ich mit einem Lebensziel gescheitert bin, dann mit diesem. Ich wollte eine harmonische Familie bis ans Lebensende, das habe ich nicht erreicht.»